Susannes Blog

Wünsche an die Fee

Herr Krauthausen hat einen interessanten Artikel auf der Seite Aktion Mensch veröffentlicht.

Er meint darin, dass er lieber Barrieren, wie z.B. die für den Rollstuhl hinderlichen Stufen seines Lieblingscafés, abbauen würde, als seine Behinderung zu beheben bzw. würde er sich nicht für viel Geld operieren lassen, um wieder gehen zu können, sofern eine Möglichkeit dazu bestünde. Er hat gelernt mit seiner Behinderung, seinem Körper zu leben und dabei nicht einem Ideal zu entsprechen und wünscht sich,

„dass das in einer diversitären Gesellschaft akzeptiert wird und nicht von jedem Plakat, in fast jedem Film oder auch in Zeitungen vorgestellt wird: Das ist der ideale Mensch! Denn somit kann man sich gut vor seiner Verantwortung für eine inklusive Gesellschaft drücken, weil wir den Individuen lieber das Laufen beibringen wollen, als die allgegenwärtigen Barrieren abzubauen.“

Dem Bedürfnis nach Inklusion sowie dem Aufzeigen, dass unsere Gesellschaft ein Problem mit der Inklusion hat, will ich mich voll und ganz anschließen.

Ich habe mich gefragt, was wäre wenn alle Menschen, die mit mir kommunizieren – ebenso wie ich – auf die bestmöglichen akustischen Bedingungen achten, sowie sehr klar und deutlich und in einem entsprechenden Tempo reden würden? Was wäre, wenn an öffentlichen Orten lückenlos Induktionsschleifen installiert wären, wenn die Hintergrundmusik in Kaufhäusern und Lokalen bedeutend leiser spielen würde und es selbstverständlich ist, dass es entsprechende Sitzplätze für Schwerhörige in Theater, Konzerten, Kinos, etc. gibt? Was wäre, wenn soviel Einfühlungsvermögen, Toleranz und Achtung vorhanden wäre, dass dienstliche Sitzungen, nicht in rd. 14stündigen Kommunikationsmarathons mit kaum Pausen ausarten sowie es selbstverständlich ist, dass private Treffen mal 1 Stunde und mal bedeutend länger dauern würden – je nach Energiehaushalt?

Mein Leben als schwerhörige Frau wäre bedeutend entspannter. Ich müsste mich weniger erklären und mir weniger erkämpfen. Wenn ich tiefer nachspüre, dann merke ich, dass ich ich mich auch integrierter, dazugehöriger fühlen würde. Es geht mir nicht darum, meinen Teil der Verantwortung abzugeben, sondern vielmehr um eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit anderen Menschen und deren anderen Ressourcen. Dies setzt u.a. Empathie und Verständnis voraus.

(Anmerkung: Manchmal frage ich mich, wer überhaupt noch als „normal“ im Sinne der Norm entsprechend gesehen wird oder sich selbst so sieht. Ich habe oftmals den Eindruck, dass die Menschheit nur mehr aus Randgruppen besteht oder vielmehr aus kleinen Gruppen, die untereinander noch ein wenig Zugehörigkeit empfinden und alles auch nur ein wenig Andersartige/Fremdartige lässt Grenzen im Umgang aufzeigen und den Fokus auf das Trennende und nicht das Gemeinsame, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, richten, der darin besteht, geliebt zu werden. Soviel kurz dazu. Ich will wieder zum Thema zurückkommen.)

Eine Bekannte, mit einem Bein, schrieb als Kommentar auf den Artikel, dass sie viele Wünsche hätte, wenn eine Fee käme. Allerdings hätte sie nicht den Wunsch nach einem zweiten Bein.

Ich wünsche mir bedeutend mehr Inklusion, doch würde mein Wunsch an die Fee die Heilung der Schwerhörigkeit und des Menieres schon auch beinhalten.

Meine und ihre Wünsche unterscheiden sich und ich frage mich, warum das so ist? Ich glaube es macht einen Unterschied, ob die Beeinträchtigung früh- oder späterworben ist, wieviele Jahre zum Annehmen und Erlernen eines unterstützenden, konstruktiven Umgangs dazwischen liegen und gewiss auch wie sozial beeinträchtigend und energieraubend sie ist.

Also liebe Fee, wie viele Wünsche darf ich äußern?

4 Kommentare zu „Wünsche an die Fee

  1. Liebe Susanne,

    Dein Beitrag berührt mich. Es schwingt eine Trauer mit, die ich nachvollziehen kann, sind wir doch »Schwestern im Leid«. Gerne würde ich an dieser Stelle Zitate anführen, diese habe ich dem neuen Krimi einer uns beiden bekannten Autorin 🙂 entnommen.

    Zitat: »Der Soziologe Gerhard Schulze sagt dazu: ›Es gibt kaum etwas Schwierigeres als eine Theorie des Normalen.‹ … Schau Bea, es ist normal, dass ein Mensch mit 70 Jahren ein Gebiss trägt. Aber es gibt auch Menschen, die bis ins hohe Alter noch ihre eigenen Zähne haben, sind die unnormal? Müssen die sich ihre Zähne ziehen lassen, damit sie, wie alle anderen, ›normale Greise‹ sind? Das wäre wirklich töricht. Die Zeiten ändern sich und die Toleranz für Abweichungen in manchen Bereichen nimmt zu. Gleichzeitig sinkt sie auf null, wenn es um andere Dinge geht, bei Missbrauch an Kindern zum Beispiel. Das ist auch gut so … « Zitatende

    Inklusion verbinde ich mit Toleranz. In der Vergangenheit habe ich mir gerne vorgemacht, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich möchte Dich und alle Mitleser auf einen Beitrag von mir aufmerksam machen. Geschrieben habe ich ihn aus einer ganz großen Betroffenheit heraus, aus Mitgefühl und dem damit verbundenen Schmerz. Du weißt, dass ich meinen Tinnitus nicht thematisiert habe, weil ich ihn immer als das kleinste meiner Übel ansah. Aber mache Dir bitte selber ein Bild:
    http://www.ein-buch-lesen.de/2013/08/die-klatsche-einer-tinnitusbetroffenen.html

    Fühle Dich umärmelt von

    Sylvia B.

    1. Liebe Grüße an dich, Sylvia :).
      Die Machenschaften mancher Personen sind erschütternd.
      Dazu passt auch der Artikel Die Maske der Kinderrechtlerin, der mich heute schon sprachlos gemacht hat und mir einmal mehr ein tieferes Verständnis des Satzes: Wo Licht ist, ist auch Schatten“ erspüren hat lassen. Die Abgründe der menschlichen Seele sind unsagbar tief und dunkel.

  2. Ich wünsche mir schon einen einzigen Tag einmal richtig gut hören zu können.
    Damit ich eine Vorstellung davon bekomme, was ich wirklich tagtäglich leisten muss. Um dann vielleicht ein bisschen sorgsamer und respektvoller mit mir umzugehen.

    Ansonsten habe ich nichts gegen meine Schwerhörigkeit. Ich könnte es mir fast vorstellen taub zu sein. Da ich die Stille so liebe und mir so oft wünsche. Allerdings ist die Gesellschaft für so eine Behinderung kaum ausgelegt.

    Da hast du mit deiner Einschätzung wahrscheinlich recht. Es wird einen Unterschied machen, ob man früh oder spät ertaubt/schwerhörig geworden ist. So wie sich die Normalhörenden mein Hören nicht vorstellen können, kann ich mir kein besseres Hören vorstellen. Ich kenne es kaum anders und vermisse daher kaum etwas.
    Auf der anderen Seite ist mir glaube ich noch immer nicht richtig bewußt, wie groß meine Einschränkung ist.

    1. Hallo Helen,
      ich finde es interessant, dass du schreibst:
      „Auf der anderen Seite ist mir glaube ich noch immer nicht richtig bewusst, wie groß meine Einschränkung ist.“
      Mir geht es da so wie dir. Das Ausmaß der eigenen Be-hinderung zu erfassen scheint ebenso ein länger dauernder Prozess zu sein.
      Es ist auch wenig angenehm die Be-GRENZ-ungEN bewusst vor Augen zu haben und mitunter schmerzlich zu spüren.
      Doch Leid will gespürt werden, um losgelassen/angenommen werden zu können.
      Wenn wir wahrnehmen, wie eingeschränkt wir sind, dann können wir auch daran arbeiten, wie wir damit bestmöglich umgehen.
      Sei mir lieb gegrüßt
      Susanne

Hinterlasse einen Kommentar